PALÄON, Deutschland / Holzer Kobler Architekturen

Der PALÄON schiebt sich aus der leicht hügeligen Topografie heraus und schneidet sich in die bewaldeten Wiesen ein. Das Volumen des dreistöckigen Gebäudes und die von ihm ausgehenden Wege bilden Sichtachsen, die die Landschaft in Vektoren gliedern. Ein zweites gewundenes Pfadsystem bildet Synapsen, die sich mit der Umgebung verbinden. Das Gebäude ist eine Tarnung – eine hyperrealistische Abstraktion der Landschaft.

Die metallische Haut des PALÄON spiegelt die ihn umgebenden Wiesen und Wälder sowie die Bewegungen der vorbeiziehenden Wolken am Himmel wider. Durch seine archaische Form wird das Forschungs- und Erlebniszentrum eins mit seiner Umgebung. Scharfe, großformatige Einschnitte in die Gebäudefassade bieten weitreichende und faszinierende Ausblicke auf die Fundstelle der Speere, die Grube des Braunkohletagebaus, den nahen Wald und die auf den Wiesen grasenden Przewalski-Pferde. Die ausdrucksstarken Öffnungen schneiden sich wie Speere in die Haut der Pferde in das Gebäude und spiegeln diese Dynamik in der Formensprache wider. Auch die abstrakten Einschnitte in das Gebäude reagieren einst auf die benachbarten Spuren des Tagebaus. Die daraus resultierende ausdrucksstarke Architektur vermittelt zwischen menschengemachter und natürlicher Landschaft und bildet ein Sinnbild für den Ort.

Ausstellung
Im Mittelpunkt des Projekts steht die Erlebnisausstellung mit der Präsentation des Originalstandortes aus Schöningen. Einprägsame Bilder sprechen die Sinne und Emotionen des Besuchers an. Neue Erkenntnisse zu unseren Vorfahren, dem Homo erectus, seinem Alltag und der Flora und Fauna vor rund 300.000 Jahren werden ebenso präsentiert wie Bezüge zu aktuellen Themen wie Klimawandel und Nachhaltigkeit.

Der Rundgang durch die Ausstellung beginnt im dreigeschossigen Foyer in der Mitte des Gebäudes, das alle Ausblicke nach außen verbindet. Der hohe Raum schafft Sichtachsen zu den Forschungs- und Ausstellungsbereichen im ersten und zweiten Obergeschoss sowie Durchblicke zum Braunkohletagebau. Hier beginnen und enden alle Wege, die zu den programmatischen Bereichen wie Ausstellung, Bildungsbereiche, Verwaltung, Restaurant oder Shop führen. Das Foyer führt dann durch den lackierten Querschnitt der geologischen und archäologischen Ausgrabungsschichten zurück in die Vorgeschichte.

Im Mittelpunkt der Ausstellungsgestaltung steht der skulpturale weiße Ausstellungskörper, dessen Form entfernt an Pferdeknochen erinnert. Eine Reihe von Themenschränken bildet durch Vergrößerung und Abstraktion ein raumaktivierendes Element, in dem sich Ansichten mit großformatigen Kunstwerken abwechseln. Highlight im Ausstellungsrundgang ist das Speerkabinett, das die weltweit einzigartigen Holzspeere aus der Steinzeit präsentiert. Das Panoramakino schließlich macht 300.000 Jahre emotional erlebbar.

Beim Verlassen des Hauptausstellungsraumes und dem letzten Durchqueren des Foyers hoch über dem Eingang werden im Forschungsbereich aktuelle archäologische Ausgrabungs- und Forschungsarbeiten in Schöningen erlebbar. Im Labor lösen die Besucher einen kniffligen Fall mit modernen archäologischen Methoden. Die professionellen Labor- und Arbeitsräume der Archäologen vor Ort reihen sich entlang des Ausstellungsparcours und können von den Besuchern besichtigt werden. Das hier täglich stattfindende „Abenteuer Forschen“ wird für Laien, Kinder und Experten begreifbar gemacht und hautnah erlebt – im PALÄON selbst und auf dem Ausstellungsgelände im Freien.

Landschaft
Für die Gestaltung der Außenräume des neuen Forschungs- und Erlebniszentrums wurden zwei komplementäre Formensprachen in die Landschaft eingebracht. Sie unterscheiden sich funktional und formal in der neu geschaffenen Parklandschaft, die an einen zwischeneiszeitlichen Kreislauf der Urzeit anknüpft, sowie in der Erschließung und Versammlungsräume, die architektonisch stark durch das Gebäude geprägt sind. Im Osten werden bald dichte Wälder die Hälfte der Fläche des Geländes bedecken. Westlich und rund um das PALÄON erstrecken sich gesprenkelte Wälder, sowie Wiesen und ein See, die auch das eingezäunte Areal für die Przewalski-Pferde beherbergen. Ein geschwungenes Wegenetz führt den Besucher zu besonderen Aussichtspunkten, Sehenswürdigkeiten und stellt notwendige Verbindungen her. So wurde beispielsweise die Gestaltung des Spielplatzes von ausgestorbenen Urzeittieren inspiriert.

Projektdetails:
Ort: Lange Trift, 38364 Schöningen
Typ: Kultur
Fläche: 4090,0 qm
Jahr: 2013
Architekten: Holzer Kobler Architekturen
Fotos: Jan Bitter